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Stadtentwicklung in Bordeaux – Die lange Geschichte einer großen Vision

Im Rahmen der Fachexkursion 2018 besuchte die Kollegengruppe WIR StadtplanerIn NRW die Stadt Bordeaux. Bei der mehrtägigen Exkursion standen die aktuellen städtebaulichen Entwicklungen im Fokus. Schon beim Besuch der Ausstellung zur Stadtbaugeschichte im Centre d’Interprètation de l’Architecture et du Patrimoine im Rathaus stellte sich heraus, dass viele aktuelle Entwicklungen einer Vision folgen, die schon seit mehreren Generationen die Stadtplaner und Architekten der Region inspiriert.

Bordeaux, die Hauptstadt des Département Gironde ist seit Jahrhunderten Bühne für ambitionierte Stadtentwicklungsprojekte. Die Altstadt, westlich der Garonne gelegen, folgt der Form einer Mondsichel entlang des geschwungenen Flussufers. Der Hafen, aus diesem Grunde auch „Port de la Lune“ genannt, trägt einen wichtigen Teil zum Selbstverständnis und zur Identität der Stadt bei und war der Ursprung für das schnelle Wachstum der Stadt.

Mit der städtebaulichen Planung des Architekten Dupré de Saint-Maur im Jahr 1782 wurde die Expansion der Stadt über den mittelalterlichen Grundriss hinaus eingeläutet. Er verfolgte die Vision, die beiden Hafenbecken Begles und Bacalan im Süden und Norden der Altstadt durch einen Kanal zu verbinden und auch die gegenüberliegende Uferseite der Garonne zu erschließen. Auch wenn der Kanal nie gebaut wurde, waren seine Pläne die Grundlage für die Anlage des Ringboulevards um die Altstadt. Es folgte die Neuordnung der Innenstadt und die Entstehung mehrerer Vororte entlang des neuen Boulevards. Trotz aller technischen Schwierigkeiten und Bedenken, gelang 1822 der Bau der Brücke „Pont de Pierre“ über die Garonne durch den Architekten Cyprien Alfred-Duprat. Dieser Erfolg manifestierte den Traum, auch die rechte Uferseite der Garonne zu entwickeln und den Stadtgrundriss von der Form der Mondsichel zu einem Vollmond zu vervollständigen. Trotz aller Bemühungen entwickelte sich die rechte Seite der Garonne, die Bastide, deutlich langsamer und war aufgrund der aufkommenden Industrialisierung strukturell durch Großbetriebe und die Güterbahnstrecke in Richtung Paris bestimmt.

Bordeaux, Pont de Pierre. Foto: Christian Wendling

Mit der Aufgabe des Seehafens in der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts wurde der Strukturwandel der Stadt eingeläutet. Das axiale Straßenbahnsystem wurde angelegt, die Hafenfront umfassend saniert und nicht mehr benötigte Lagerhallen zurückgebaut. Somit konnte sich die Altstadt wieder zum Ufer der Garonne öffnen und das Areal für die Bewohner zurückgewinnen. Seit 1967 wurde die Altstadt behutsam erneuert. Dabei stand im Vordergrund die Altstadt nicht museumsgleich zu isolieren sondern eine dynamische und lebendige Entwicklung zu fördern. Auch durch den zuerst darauf folgenden erhöhten Gebäudeleerstand ließ sich die Stadtverwaltung nicht entmutigen. Gleichzeitig wurde durch den allmählichen Rückbau der Industriebrachen auf der rechten Flussseite mit der Konversion zu hochwertigen Wohnbauflächen begonnen.

Mit der Wiederherstellung der zwischenzeitlich nicht mehr genutzten Straßenbahntrassen unter Bürgermeister Alain Juppé in den 90er Jahren wurde ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Mobilität und Anbindung der großflächigen Vororte von Bordeaux unternommen. Gleichzeitig führte die Reduzierung des Verkehrs in der Innenstadt und die Neugestaltung der seit den 70er Jahren als Parkplatz genutzten Uferzone zu einer enormen Erhöhung der Lebensqualität der Altstadt. Durch den zusätzlichen Rückbau von nicht mehr benötigten Lagerhallen wurde der Bau einer 10 km langen barrierefreien Uferpromenade mit einem begleitenden Grünband und vielfältigen Freizeitnutzungen ermöglicht. Highlight der Anlage ist der Miroir d’Eau von Michel Corajoud aus dem Jahre 2006, eine wasserbespannte Platzfläche, die die umgebenden Gebäude und den Himmel wiederspiegelt und zum Spielen einlädt.

Bordeaux, Miroir d’Eau (Michel Corajoud, 2006). Foto: Christian Wendling

Bordeaux, Miroir d’Eau (Michel Corajoud, 2006). Foto: Christian Wendling

Bordeaux, Miroir d’Eau (Michel Corajoud, 2006). Foto: Christian Wendling

Bordeaux, Miroir d’Eau (Michel Corajoud, 2006). Foto: Christian Wendling

Bordeaux, Miroir d’Eau (Michel Corajoud, 2006). Foto: Christian Wendling

Bordeaux, Miroir d’Eau (Michel Corajoud, 2006). Foto: Christian Wendling

Bordeaux, Miroir d’Eau (Michel Corajoud, 2006). Foto: Christian Wendling

Die neuesten städtebaulichen Entwicklungen befassen sich unter anderem mit ehemaligen Hafenflächen rund um das Bassin a Flot nördlich der Altstadt und den bisher noch nicht entwickelten Flächen der Bastide. Auf der Bastide ist in den letzten Jahren ein besonderes bürgerschaftliches Projekt entstanden. Das Quartier Darwin auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne Niel ist zugleich Kulturstätte, Treffpunkt für Aktivisten und Sozialunternehmertum, Gemeinschaftsgarten und hochwertige Gastronomie. Die Zukunft dieses Projektes ist ungewiss, obwohl Teile der entstandenen Bauten in die städtebaulichen Planungen einbezogen wurden.

Der Masterplan des Rotterdamer Büros MVRDV für das Quartier Bastide Niel umfasst eine Fläche von 35 ha. Die Flächen des früheren Güterbahnhofes, ein ehemaliges Kasernengelände sowie ungenutzte Lagerhallen bieten viel Spielraum für eine Neuinterpretation der Identität dieses vormals industriell geprägten Areals. Der Masterplan sieht eine Neustrukturierung in 144 Blöcke vor, von denen jeder durch ein anderes Architekturbüro entworfen werden soll. Ziel ist es durch eine Architektur, die sowohl Geschichte als auch Individualität verkörpert, eine respektvolle Antwort auf die gegenüberliegende Uferseite zu geben. Durch die Fortführung des historischen Rundboulevards über die neue Hubbrücke Jaques Chaban-Delmas gelingt die städtebauliche Arrondierung über die Garonne. Die Anlage eines großzügigen Parks am rechten Flussufer schafft gleichzeitig ein angemessenes Gegenüber zu der Uferpromenade auf der Altstadtseite.

Der Masterplan des Büros ANMA für das Areal Bassin a Flot sieht einen Nutzungsmix aus Wohnen, Gewerbe und hochwertiger Gastronomie vor. Als Besonderheit werden ein Teil der markanten Kräne, Silos und Lagerhallen erhalten und in das Konzept einbezogen. Die industriell anmutende Materialwahl der Neubauten und die Neuinterpretation der vorhandenen Dachformen bewahren dabei den ursprünglichen Charakter dieses Quartiers. Ziel ist die Bewahrung der vorhandenen Dichte und eine ökologische energetische Konzeption. Der Grundstein für die neue Entwicklung wurde bereits durch den Bau der Markthalle „Halles de Bacalan“ und die „Cité du Vin“, ein amorpher Neubau genutzt als Weinmuseum, gelegt.

Ziel des Masterplans Bordeaux 2030 ist die Einwohnerzahl von heute rund 250.000 Einwohnern in den nächsten Jahren zu vervierfachen. So ambitioniert dieses Vorhaben auch scheint, bei Umfragen der letzten Jahre hat Bordeaux Paris schon längst den Rang für die lebenswerteste Stadt Frankreichs abgelaufen. Viele sanierte Straßenzüge in der Altstadt sind bereits von Pariser Familien aufgekauft worden. Die Immobilienpreise sind im Vergleich zu Paris nahezu günstig. Durch den Bau der neuen TGV Strecke Bordeaux-Paris wurde ein entscheidender Beitrag geleistet, dass diese Tendenz auch zukünftig nicht nachlassen wird.

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