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Exkursion nach Bielefeld

Die jährliche Exkursion der Kollegengruppe führte uns nach zweijähriger pandemiebedingter Pause Anfang Dezember 2022 für zwei Tage nach Bielefeld. Das vielseitige Programm bestand aus einem Stadtrundgang, einer kabarettistischen Stadtrundfahrt und einem Besuch Sennestadts und des Büros Drees & Huesmann dessen Mitgründer, unser langjähriges Kollegengruppenmitglied Reinhard Drees, gemeinsam mit dem ehemaligen Mitarbeiter Andreas Holstein die Exkursion ortskundig  vorbereitet hatte.

Der Stadtrundgang am ersten Tag der Exkursion stand im Zeichen der behutsamen Stadtentwicklung und führte uns vom neuen Bahnhofsviertel über die von Einzelhandel geprägte Bahnhofsstraße durch die Altstadt, den historischen Neustadtbereich bis hinauf zur Sparrenburg.  Im Innenhof der Burg wurden wir nicht nur von der imposanten Aussicht über die Stadt, sondern auch von der sehr gelungenen Ergänzung des Gebäudeensembles durch das moderne aber zurückhaltende Informationszentrum nach den Plänen von Max Dudler Architekten aus dem Jahr 2014 überrascht.

Die Innenstadt von Bielefeld hat nur geringfügige Änderung des Stadtgrundrisses im letzten Jahrhundert erfahren müssen. Insbesondere im Bereich der Altstadt ist die kleinteilige Parzellierung und die historische Straßenführung weiterhin ablesbar. Dennoch sind Veränderungen durch den Einzelhandel, den Bau großflächiger Verwaltungsbauten, die Spuren der Autogerechten Stadt und der Bau der heutigen Ringstraße auf den Flächen der historischen Wallanlage nach dem zweiten Weltkrieg im Stadtgrundriss ablesbar. Die fortschreitende Nachverdichtung und die Ausbreitung des großflächigen Einzelhandels stellen dabei eine Herausforderung für den Erhalt des charakteristischen Erscheinungsbildes der Innenstadt dar. Als wirksames Steuerungsinstrument dient seit den 90er Jahren die Erhaltungssatzung der Altstadt. Ziel der Satzung ist es, die prägenden Elemente und Strukturen zu bewahren, diese behutsam weiterzuentwickeln und auch neues zuzulassen, ohne dabei den Charakter der Altstadt zu verfremden.

Beim gemeinsamen Abendessen im „Glückundseligkeit“ hatten wir die Gelegenheit, die im Jahre 2004 umgebaute Martini-Kirche im Stadtteil Bethel, durch das Bielefelder Architekturbüro brunsarchitekten zu bestaunen. Als Vorreiter für die Umnutzung einer gesamten Kirche dieser Größenordnung in eine stilvolle und erfolgreiche Gastronomie, hat dieses Projekt internationale Aufmerksamkeit gewonnen.

Die Stadtrundfahrt zum Thema „Kann den Bauen Sünde sein“ am Morgen des zweiten Exkursionstag wurde von dem Satiriker Heinz Flottmann begleitet und gab einen humoristischen Einblick in die großen und kleinen Bausünden der Stadt.

Den Abschluss des Programms bildete ein Besuch des Bielefelder Bezirks Sennestadt, der Retorten-Großwohnsiedlung die in den Zeiten der Wohnungsnot von 1956 bis ca. 1965 als Planstadt nach den Ideen des Stadtplaners Hans Bernhard Reichow errichtet wurde.  Trotz des Entwurfs als „organische Stadtlandschaft“ mit einer intuitiven Verkehrs- und Fußgängerlenkung und einer lockeren Baustruktur, sind die typischen Merkmale der Autogerechten Stadt erkennbar. Zusätzlich waren aufgrund der demographischen Entwicklung in den letzten Jahrzenten vielfältige Stadtumbaumaßnahmen notwendig. Die im Prozess befindliche energetische Stadtteilsanierung unter Einbezug einer zentralen Industriebrache, wurde im Jahr 2015 vom Land NRW als Musterbeispiel unter dem Titel „Klimaquartier Sennestadt“ ausgezeichnet. Marc Wübbenhorst erläuterte uns die Geschichte anschaulich am großen Stadtmodell und bei einem Rundgang.

Bei einem gemeinsamen Ausklang gab es noch die Gelegenheit für eine abschließende Diskussion und einen Rückblick auf das vielseitige Programm diese Exkursion. Diese hat uns nachdenklich, aber auch optimistisch gestimmt, dass es geeignete Instrumente der Stadtplanung für einen erfolgreichen und behutsamen Stadtumbau gibt. Auch wenn dadurch nicht alle Bausünden heilbar oder vermeidbar sind, können wir die vorhandenen zumindest mit Humor nehmen.

Sennestadt Modell, Bielefeld
Sennestadt Modell, Bielefeld

Ein Beitrag von Martina Winandi zum Deutschen Architektenblatt DAB, Ausgabe NRW, 03/2023

Foto: Michael Ahn, 12/2022

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