Der „Tag der Stadtplanung“ am 30.10. in Gelsenkirchen bot spannende Vorträge zu den Facetten und…
IBA – Fürst-Pückler-Land – Ein Blick nach Osten
Wir Stadtplaner in NRW” haben uns seit vielen Jahren mehr oder weniger intensiv mit den Planungen und Ergebnissen des Braunkohletageabbaus im Westen unseres Landes und der IBA-Emscher-Park-Projekten als Folge des Endes des Steinkohleabbaus im Ruhrgebiet beschäftigt.
Es lohnt sich sehr, an den Ostrand unserer Republik auf die Ergebnisse der IBA-Fürst-Pückler-Land (Niederlausitz) zu schauen.
Der größte Braunkohletageabbau Europa´s hat eine verwundete Landschaft hinterlassen, die den Vergleich mit gigantischen Mondlandschaften hervorruft. Die Ausmaße sind kaum vorstellbar. Das Auge sucht vergebens nach einem Maßstab, um die Weite und Tiefe abschätzen zu können.
Mit der Wende war das Ende des Abbaus beschlossen. Die politischen und fachkundlichen Verantwortlichen müssen zunächst mit gewissen Erschauern vor dem „Und nun?” gestanden haben. Nach Karl Ganser, „musste man sich nach verzweifelter Ausgangslage besonders motiviert fühlen”, um in der ehemaligen Wald-, Sumpf- und Heidelandschaft der dünn besiedelten Niederlausitz Zukunft zu sehen.
Die Herausforderung war nicht nur die Bewältigung des sozialen und ökonomischen Strukturwandels, die Rekultivierung einer devastierten Landschaft in größtem Ausmaß, 130 abgerissene teilweise torsohaft übrig gebliebene Siedlungen mit teilweise sorbischer Kultur sowie Hinterlassenschaften von industriellen Großanlagen.
Voraussetzung als ökologisches Großprojekt war die Wiederherstellung einer sich selbst regulierenden Grundwassersituation (…füllt sich der „Lausitzer Trichter” unkontrolliert – läuft der Spreewald trocken!). Als Entwicklungsziel für die Abbaugebiete lag eine zweite Mecklenburger Seenplatte fast alternativlos auf der Hand.
1998 wurde die IBA Fürst-Pückler-Land gegründet – Vorbild und Verbündeter, kompetenter Berater war Karl Ganser mit der IBA Emscher-Park-Erfahrung im Umgang mit Strukturwandel und Industriekultur. Herz und Motor wurde Rolf Kuhn als ehem. Bauhausdirektor in Dessau, mit der Landschaft (- im weitesten Sinne -) vertraut.
Ziel für die IBA Fürst-Pückler-Land war eine „Werkstatt für neue Landschaften”, die ihre industrielle Vergangenheit mit langer Tradition ingenieur-technischer Innvovation nicht verleugnen. Abgesehen von der geplanten Seenlandschaft (– 30 Seen schiffbar miteinander verbunden –) wurden insgesamt 9 Teilräume als verschiedene „Landschaftsinseln” aufgrund naturräumlich und historisch unterschiedlich geprägter Identität (ehem. Standorte Montanindustrie / Landschaftskunst / Stadtumbau / Seenlandschaft) entwickelt. Man setzte auf eine Vielzahl im Raum verstreuter kleinerer Projekte, auf endogene Potenziale, auf Vernetzung und Kooperation zwischen den regionalen Akteuren („IBA von unten”).
Nicht unterschätzt wurde das Problem der geringen Bevölkerungsdichte und des weiten Einzugsbereiches zwischen Berlin und Dresden / Leipzig für die geplante Naherholungslandschaft mit zahlreichen Einzelprojekten – vom Kulturzentrum im „liegenden Eifelturm” mit 500 m Länge die weltweit größte Abraumförderbrücke bis zur mittelalterlichen Slavenburg Raddusch, von der Landschaftskunst des phantasievollsten Park- und Landschaftsgestalters des 19. Jahrhunderts Fürst Pückler in Muskau bis zur Erhaltung prägenden Gebäudesubstanz der Bergwerksgesellschaften aus dem 19. Jahrhundert.
Was ist neu und besonders nachhaltig aus dem IBA Fürst-Pückler-Land-Prozess und was wäre für den NRW IBA-Prozess (– das gilt auch für die REGIONALEN in NRW–) wünschenswert gewesen?
Nach der finanziellen und rechtlichen Abwicklung der IBA 2011/2012 gründete der Geschäftsführer Prof. Dr. Rolf Kuhn das IBA-Studierhaus als Dokumentationszentrum der Ergebnisse und der Prozesse, als „Wissensspeicher” mit Bilbliothek / Mediothek / Arbeits-, Diskussions- und Vortragsmöglichkeiten. Sitz bleb das Gebäude der bisherigen IBA-Geschäftsstelle Großräschen in einem stattlichen ehemaligen Lehrlingswohnheim der damaligen Bergbaugesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts.
In diesem IBA-Studierhaus funktioniert heute ein weltweiter Erfahrungsaustausch zu Prozessen mit umfangreichem Strukturwandel. Das IBA-Studierhaus ist zur internationalen Werkstatt für neue Grenzlandschaften im Bereich Bergbau, Wasser, Energie und Industriekultur geworden.
Für das weit gespannte Aufgabenfeld der Stadtplaner gilt es, weiter zu lernen.
Eine Reise ist es wert!
Dieser Text von Leonore Wolters-Krebs ist ein Beitrag zum Deutschen Architektenblatt, Ausgabe NRW 08/2017.
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